mythos motivation

Mehr Geld, weniger Motivation

Es ist eine altbekannte Geschichte: Europa kämpft mit stagnierender Produktivität, während andere Länder in der globalen Leistungsspirale vorbeiziehen. Der Reflex? Wir versuchen mit Re-Organisationen, Cost-Cutting und extrinsischen Anreizen wie Bonuszahlungen und Incentives das Ruder rumzureißen. Doch kann man dadurch wirklich Leistung steigern? In zahllosen Meetings mit Führungskräften habe ich gehört: „Geld motiviert immer!“ Doch es gibt gut erforschte Beispiele, die uns etwas anderes lehren. Belohnungen können die Motivation abtöten – und damit unsere Produktivität erst recht ausbremsen.
man on a paper plane

In der Arbeit mit unterschiedlichsten Unternehmen ist „Lohn und Anreiz“ immer ein Thema – und sehr häufig erschleicht mich im Gespräch mit Führungskräften das Gefühl, dass das in eine falsche Richtung geht. Denn Bonus & Co sind oft nicht die Wunderwaffe sind, für die sie gehalten werden. Tatsächlich können sie die Motivation regelrecht abwürgen. Aber wie kann das sein? Ein Erklärversuch:

Malen als Arbeit? Ein Klassiker der Psychologie
In einer bahnbrechenden Studie von Leper, Greene und Nisbett (1973) erhielten Kinder die Aufgabe, Bilder zu malen. Zuerst ohne irgendeine Aussicht auf Belohnung – es war einfach Spaß an der Sache. Dann kam die Belohnung ins Spiel: Eine Gruppe von Kindern wurde vorab versprochen, dass sie eine Auszeichnung erhalten würden, wenn sie ein Bild malen. Eine zweite Gruppe erhielt eine überraschende Belohnung im Nachhinein, und die dritte Gruppe malte ohne jegliche Belohnung.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Kinder, die eine Belohnung erwarteten, malten später nicht nur weniger, sondern auch qualitativ schlechter. Was vorher intrinsisch motiviert war, wurde durch die Aussicht auf eine Belohnung zu Arbeit. Die Freude am Tun war plötzlich weg. Und da sind wir schon beim Kernproblem: Sobald eine Belohnung das Ziel wird, verliert die Aufgabe ihren Reiz.

Wenn der Geschmack auf der Strecke bleibt
Ein weiteres Experiment zeigt, dass Belohnungen sogar so weit gehen können, den Geschmackssinn zu beeinflussen. In dieser Studie wurden Kinder mit einem ihnen unbekannten Getränk, Kefir, konfrontiert. Drei Gruppen, drei Ansätze: Eine Gruppe sollte es einfach probieren, einer anderen wurde gesagt, dass sie es lieben würden, und der dritten Gruppe wurde ein Kinoticket als Belohnung für das Trinken in Aussicht gestellt. Und die Ergebnisse? Die Gruppe, die eine Belohnung bekam, mochte Kefir am wenigsten.
Warum? Weil sie die Erfahrung nicht um des Getränks willen machten, sondern einzig und allein wegen der Belohnung. Übertragen auf den Arbeitsplatz heißt das: Wenn der Bonus größer ist als der eigentliche Spaß an der Arbeit, kann das die Wahrnehmung komplett verändern. Auf einmal wird nicht mehr die Aufgabe geschätzt, sondern nur noch die Belohnung, die am Ende wartet.

Die Kunst, Langeweile wertvoll zu machen
In einem anderen Experiment von Festinger und Carlsmith (1959) mussten Studierende eine extrem langweilige Aufgabe erledigen – sie drehten Stifte auf einem Brett. Eine Gruppe wurde dafür mit nur 1 Dollar entlohnt, die andere Gruppe erhielt 20 Dollar. Das Ergebnis war überraschend: Die Gruppe, die nur 1 Dollar bekam, bewertete die Aufgabe im Nachhinein als interessanter als die Gruppe, die 20 Dollar erhielt.
Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz erklärt dieses Phänomen: Wer wenig für eine unattraktive Aufgabe erhält, beginnt, die Tätigkeit positiver zu bewerten, um den Widerspruch zwischen Aufwand und Lohn aufzulösen. Höhere Belohnungen hingegen erlauben uns, die Arbeit als das zu betrachten, was sie ist: Langweilig.

Fett und nicht belesen
Weg von konstruierten Experimenten in die echte Welt: Ein Paradebeispiel für missverstandene Motivation lieferte Pizza Hut schon vor vielen Jahren. Mit dem „BookIt“-Programm sollten Kinder zum Lesen animiert werden – mit der Aussicht auf eine kostenlose Pizza für jedes gelesene Buch. Die Idee war gut gemeint, doch sie ging völlig nach hinten los: Die Kinder wählten die dünnsten Bücher mit den größten Buchstaben aus, um schnellstmöglich an die Pizza zu kommen. Lesen war nicht mehr das Ziel, sondern nur noch das Mittel zum Zweck.
Was können wir daraus lernen? Sobald die Belohnung wichtiger wird als die Aufgabe, verliert die Aufgabe ihren Wert. In Unternehmen könnte das bedeuten, dass Mitarbeitende nur noch so arbeiten, dass sie die Belohnung maximieren, nicht die Qualität ihrer Arbeit oder die langfristigen Ziele.

Fazit: Wenn Belohnungen mehr schaden als nutzen
Die Psychologie ist klar: Belohnungen sind keine einfache Antwort auf das Problem der Motivation. Vielmehr können sie das Gegenteil bewirken und den Fokus von der eigentlichen Freude an der Aufgabe hin zu einem rein transaktionalen Ansatz verschieben. Der Gedanke, dass „mehr Lohn“ auch „mehr Leistung“ bringt, ist trügerisch.

In Teil II liefern wir bald bessere Ansätze als Bonus & Co. Stay tuned :)


Aja, wie bringt man Kinder nun doch zum Lesen, ohne dass sie nur Pizza im Kopf haben? Vielleicht einfach mit einem ganz simplen Trick: Für jedes gelesene Buch gibt es ein weiteres, spannenderes Buch. Ganz ohne Käse (oder Pizza).

Key Facts

1
Das Kernproblem

Sobald eine Belohnung das Ziel wird, verliert die Aufgabe ihren Reiz.

2
Umdenken für Führungskräfte

Langfristige Produktivitätssteigerung entsteht durch Beziehung, Vertrauen und das Fördern von Kreativität, nicht durch ständigen Druck auf Effizienz.

3
Weniger ist mehr

Forschung belegt: Kleine Anreize führen zu besseren Ergebnissen, weil sie Menschen dazu bringen, den Sinn ihrer Arbeit zu hinterfragen – große Belohnungen hingegen sabotieren die Motivation.